Ja, das resoniert mit mir, dieses Lehramt der Betroffenen. Es zwingt uns, die Kirche, dorthin zu schauen, dorthin zu gehen, wo es wehtut – wo wir nicht in der Lage sind, mit frommen Worten die Lage zu kaschieren.
Es ist dort, bei den Betroffenen, wo wir herausgefordert sind, aus diesen frommen Worten sinnstiftende Worte und Taten folgen zu lassen. Und das gilt nicht nur für die Betroffenen von Missbrauch in der Kirche. Das gilt auch für diejenigen, die in Afrika und auf anderen Kontinenten im Leben zu kurz kommen; gezwungen sind, zu kurz zu kommen, weil es die Weltwirtschaft und die Ignoranz der menschlich gemachten Systeme nicht anders zulassen.
Es ist dort, wo ich in Blikkiesdorp oder Delft mich dem Leben, der Lebensnot und dem Lebenswillen – ja dem Überlebenswillen derjenigen stelle, denen ich dort begegne. Ein Überlebenswille, der manchmal die Grenzen überschreitet und zur Zumutung wird. Der meine Grenzen, etwas zu verstehen oder nachzuvollziehen, auf die Probe stellt oder einfach überschreitet und mich ringen lässt mit dem, was ich höre oder sehe.
Vielleicht müssen wir in unseren Zeiten die “Option für die Armen” und das “Lehramt der Betroffenen” neu denken oder weiterentwickeln. Wie in anderen Feldern wird sich Theologie und Lehre der digitalen Revolution und der draus resultierenden Konsequenzen, neuen Lernfelder und neuen Herausforderungen nicht nur auseinandersetzen – sondern sie als Lernfeld begreifen müssen.
Und das hängt alles zusammen – weil das Lehramt der Betroffenen durch die sozialen Medien Verstärker gefunden haben, die diese Stimmen nicht mehr verstummen lassen.
Letztendlich zwingt unsere heutige Zeit die Kirche zu einer Entscheidung: aufzuholen und zu inkorporieren, was die Wissenschaft als Weg der Gotteserkenntnis seit geraumer Zeit bereits weiß – oder aber im mittelalterlichen Weltbild zu verharren und altrömische Gepflogenheiten weiter zu zementieren. Und letzteres hätte als Konsequenz eine verminderte Lernfähigkeit und ein Verharren in Ungerechtigkeiten und fehlender auf Zukunft hin sinnstiftender Wiedergutmachung.
Und dabei geht es nicht um die Modernisierung oder Verweltlichung auf Teufel komm’ raus – sondern es geht um das Wagnis von Glauben als einen Weg durch die Zeiten, wo das Volk Gottes die Sorgen und Nöte, die Trauer und Freuden der Menschen wahrnimmt und ohne Angst und mit Vertrauen auf Gott und seinen guten Geist es wagt, neue Wege zu beschreiten.
Wege, die Tränen trockenen, Sorgen mittragen, Freuden mitfeiern, aber auch Situationen aushält und letztendlich dem Menschen als Ebenbild Gottes das Vertrauen in das Leben ermöglicht, das ihm oder ihr zusteht bzw. zu dem sie oder er von Gott berufen ist.