“Frieden schaffen ohne Waffen” – das war und ist einer der Hauptslogans der deutschen Friedensbewegung; auch wieder hörbar bei den diesjährigen Ostermärschen. Wenn ich ehrlich bin, das klingt auf den ersten Blick wie Ironie, wenn wir zur Ukraine schauen oder viele der anderen Kriegsschauplätze dieser Welt.
Die Ukraine hat diesen Slogan irgendwie in Europa wie eine Seifenblase zum Platzen gebracht; selbst Theologen und Ethiker kommen nicht drumherum, das Problem zu sehen.
Ich war immer Teil dieser Friedensbewegung – ich habe vor militärischen Einrichtungen gesessen und so manche Gerichtsverhandlung über mich ergehen lassen müssen wegen Sitzblockaden oder dem Aufruf an Soldaten, Befehle zu verweigern. Aber ich war nie so naiv, diesen Wunsch nach Frieden, diese Sehnsucht nach einer anderen, heilen Welt bedingungslos und im Hauruck Verfahren durchzudrücken.
Und nein, Robert Habeck, Pazifismus ist kein ferner Traum – es ist die lebendige Vergegenwärtigung der Möglichkeit; es ist das Gegengewicht zu denen, die Frieden durch Waffen erzwingen wollen; es ist die notwendige Balance zwischen der unerlösten Menschheit, die es nicht schafft, friedlich zu leben und der immer vorhanden Möglichkeit, Frieden friedlich zu erreichen, wenn es denn beide Seiten wollen.
Aber Frieden fällt nicht vom Himmel, die naiven Antworten mancher TeilnehmerInnen bei den Ostermärschen, man müsse nur keine Waffen liefern und dann käme der Friede in der Ukraine, sind naive und tödlich für Menschen, für deren Freiheit und Selbstbestimmung.
Der Wunsch kann nicht Vater des Gedankens sein – gerade an Ostern, dem christlichen Fest der Erlösung müssen wir feststellen, dass wir immer noch gefangen sind zwischen dem, was sein könnte und dem, was Realität genannt wird.
Nach Frieden rufen, Frieden verlangen, Frieden in Aussicht stellen, das ist sinnvoll.
Nach gewaltfreien Alternativen suchen, sie fordern und fördern, sie herbeisehnen, sie benennen, das ist sinnvoll.
Aber es macht auch Sinn, nicht von anderen zu erwarten, sich einfach dem Schicksal der Gewalt zu ergeben – Pazifismus ist immer eine persönliche Entscheidung, genauso intim wie Glaube. Und Menschen zur Friedfertigkeit zu bringen, geht nur durch den persönlichen Einsatz, das persönliche Zeugnis.
Für die Ukraine gilt: Da ist kein Frieden schaffen ohne Waffen momentan möglich – es ist eher eine bittere Lektion, die gerade denjenigen auf der Insel Europa vor Augen führt, dass die Menschen dieser Welt eigentlich immer noch weit entfernt sind, friedlich zu sein. Wir können weiter träumen, wir können uns weiter sehnen nach Frieden – ja, es ist notwendig es zu tun und wir müssen weiter für eine friedlichere Welt uns einsetzen. Aber das fängt bei einem selber an – es fängt damit an, wie man/frau sich zu Hause, in der Familie und in der unmittelbaren Gesellschaft verhält; es fängt z.B. damit an, wie eine Gesellschaft mit der Frage von Pandemie, Mundschutz und Impfung umgeht.
Friedlich sein und waffenlos sich der Gewalt ergeben als Ratschlag für andere weiter weg – das ist die Über-Nächstenliebe, die so viel einfacher ist als Frieden halten in der eigenen Welt.
Frieden schaffen ohne Waffen heiß auch konkret daran zu arbeiten, dass Institutionen wie die UN sich ändern können und dass Überbevölkerung, Hunger und Ungleichheit immer geringer werden. In unserer global vernetzten Welt muss sich auch dieser Slogan fragen lassen, was das wirklich heißt in unserer Welt von 2022.