Es ist eigentlich nicht überraschend, das Geschehen bei der 4. Vollversammlung des Synodalen Weges. Die aufseiten der Bischöfe erforderliche Zweidrittel-Mehrheit wurde bei den “Wegmarken der Sexualmoral” nicht erreicht, während über 80 % der sonstigen Delegierten ihm zustimmten. Es war und ist ein wichtiger Text – markiert er doch eine erste Antwort auf den Kindesmissbrauch, der in der katholischen Kirche systematisch unterstützt wurde. Es war und ist ein Text, der über eine lange Zeit diskutiert und immer wieder sensibel verändert wurde. Er war und ist ein Text, der die Kirche langsam an das 21. Jahrhundert und seine Erkenntnisse heranholen sollte und ihr so erlaubte, das Mittelalter zu verlassen.
Wenn ich den Aussagen von Bischof Oster folge, dann war der Druck auf manche Bischöfe zu groß, um ehrlich ihre Meinung im Vorfeld kundtun zu können. Das ist in meinen Augen ein Scheinargument. Ich denke, dass viele, die mit “nein” stimmten, gar nicht die Notwendigkeit sahen, wirklich zu diskutieren. Festgefahren in den jahrhundertealten Traditionen der Macht und des “letzten Wortes” ist es vielleicht eher eine Unfähigkeit und Ängstlichkeit, sich auf eine wirkliche Diskussion einzulassen. Und dann gab es natürlich auch die Bischöfe, die öffentlich jede Änderung oder Forderung zur Änderung faktisch ausschlossen.
Bischöfe sind dem Evangelium und der Botschaft Jesu verpflichtet – seiner Botschaft der bedingungslosen Liebe und Annahme eines jeden Menschen. Sie sind damit den Menschen verpflichtet, denen diese Botschaft gilt. Das Festhalten an der eigenen liebgewonnen Theologie und der Blick auf das Machtgefüge der Weltkirche auf Kosten der Menschen ist zum Schaden der Kirche und zum Schaden der Gläubigen.
Sei es, wie es ist: ‘rein technisch’ verlief die Abstimmung sauber – so sauber wie der Kardinal in Köln sich bis jetzt immer wieder ‘rein rechtlich’ aus der Affäre zieht.
Rein rechtlich und rein technisch sind aber nicht ausreichend, um Schaden von der Kirche abzuwenden; sie sind nicht ausreichend, um den Abstand zwischen Lehre und Realität von Menschen zu verringern – sie sind kein Kriterium für die Kirche.
Der gestrige Abend hat die Krise der katholischen Kirche in Deutschland noch einmal in aller Deutlichkeit aufleuchten lassen. Es ist klar geworden, dass ein Teil der Bischöfe den strukturellen und theologischen Änderungen, die notwendig sind, um zukünftigen Missbrauch auszuschließen, nicht zustimmen wollen.
Die gute Nachricht ist: Sie werden es auf Dauer nicht verhindern können. Die schlechte Nachricht ist: bis dahin wird es viel unnötiges Leid geben und noch mehr Menschen die Glaubensgemeinschaft verlassen.
Für viele Menschen, die den Synodalen Weg bis jetzt wider aller Besorgnisse hoffnungsvoll verfolgt haben, war die gestrige Abstimmung eine Katastrophe. Das Ergebnis hat weh getan und vielen ohnehin verletzten Menschen weitere Verletzungen zugefügt. Vielen Katholiken gehen nun die letzten Argumente aus, ihre Kirchenzugehörigkeit zu rechtfertigen.
Aber wir glauben ja an den guten Geist Gottes. Möge er kräftiger blasen und zum Sturm werden …